KEINE PLÄNE ZU HABEN BEDEUTET NICHT "LOST" ZU SEIN
Ich erinnere mich noch sehr gut an das Ende meiner Schulzeit. Und damit meine ich bereits den Abschluss an der Realschule nach 10 Jahren Schule.
Mit 16 Jahren wusste ich absolut nicht was ich mal aus meinem Leben machen möchte.
Ein Praktikum in der 9. (Tierarzthelferin) und ein Beratungsgespräch vom Arbeitsamt (Bienenzüchterin) haben mich auch nicht weiter gebracht. Ok, bis auf die Erkenntnis, dass ich weder Tierarzthelferin, noch Bienenzüchterin werden möchte. Wobei letzteres womöglich zur Rettung unserer Welt beigetragen hätte. Aber das versuche ich heute eben an anderen Stellen umzusetzen.
Es folgten viele Gespräche mit vielen Erwachsenen, die ja schon im Berufsleben waren und kluge Tipps geben konnten. Hinterfragt habe ich das Ganze nicht, denn auch mit 16 habe ich noch darauf vertraut, dass die Mehrheit der Erwachsenen weiß was sie tut und was gut ist.
Weit gefehlt. Zwar war mir damals schon klar, dass ich etwas machen möchte, das Abwechslung bringt und mich fordert, nicht nur am Schreibtisch stattfindet und idealerweise nichts mit Zahlen zu tun hat, dennoch kam mir nie in den Sinn, bei all den gut gemeinten Unterhaltungen mit den festangestellten Erwachsenen, mal zu fragen, ob sie das, was sie tun glücklich macht.
Doch Glück war damals nicht unbedingt ein Wort, das oft gefallen ist. Vielmehr sollte ich einen Plan haben, damit ich einen guten Job, mit regelmäßigem Gehalt finde, der es mir ermöglicht irgendwann Eigentum zu kaufen und ein bis zwei mal im Jahr in den Urlaub fahren zu können.
Nach vergeblichen Versuchen einen kreativen Weg einzuschlagen - ich bin sogar an die Theater diverser Städte gefahren, um mich mit dem Beruf der Dramaturgin vertraut zu machen, doch selbst dort wurde mir geraten „etwas anständiges“ zu lernen, mit dem man auch vernünftiges Geld verdient - hat es mich dann an ein Wirtschaftsgymnasium verschlagen.
Long story short, ich schloss mein Wirtschaftsabitur ab, erzielte in BWL, dem zweiten Pflichtfach, meine zu erwartenden drei Punkte und stand mit dem Abi in der Tasche vor der gleichen Frage wie schon drei Jahre zuvor: Was war der Plan?
Noch immer hatte ich keinen Plan für mein Leben und zweifelte erneut an mir. Dabei war ein Plan doch so wichtig. Man muss doch wissen was man im Leben machen, wo man wohnen will und wo man sich in fünf Jahren sieht.
Jetzt also mal was mit Zukunft, was angesehenes, etwas, das Geld bringt!
Voller Tatendrang, Markern und diversen Heftern ging ich an der Uni meiner rosigen Zukunft entgegen. Das Ziel: Lehrerin werden. Ist ja ein sicherer Job und wenn man erst mal verbeamtet ist, dann kann im Leben nichts mehr schief gehen.
Schon wenige Monate später nahmen Lustlosigkeit, Selbstzweifel und unbändige Langeweile das Zepter in die Hand. Ich hasste die Uni. Ich hasste die vielen, in meinen Augen unnützen Vorlesungen, Gruppenarbeiten, Klausuren und Hausarbeiten. Wirklich absolut nichts in mir konnte sich erklären, was ich da gerade tat und vor allem warum. Da hatte ich nun einen Plan und der gefiel mir ganz und gar nicht.
DAS WAR DER PLAN. ER SCHEITERTE.
Um ich herum waren Menschen die einen Plan hatten. Sie wussten, wann sie mit dem Studium fertig sein wollten, an welche Schulen sie zum Unterrichten wollten, wann sie heiraten, bauen und ihre 2,4 Kinder bekommen wollten.
Mir war nicht mal klar, ob mein aktueller Studiengang überhaupt etwas für mich ist und diese vielen Menschen um mich herum hatten einfach schon einen Plan für ihr halbes Leben, den sie sukzessive verfolgten, egal, ob dieser nun für sie selbst richtig oder falsch war. Hinterfragt wurde nicht, es wurde durchgezogen. So machten das erfolgreiche Leute mit einem Plan eben, dachte ich. Heute weiß ich, dass viele von ihnen unglücklich mit den geschmiedeten Plänen waren. Dass sie schon während des Studium wussten, dass das was sie tun nicht das richtige ist. Dennoch haben sie an ihren Plänen festgehalten, weil sie dachten, dass man das von ihnen erwartet. Weil sie dachten, dass einen Plan aufzugeben scheitern bedeutet.
Nach einem beinahem Uni- und Fachrichtungswechsel, der Gott sei Dank nicht stattgefunden hat, bekam ich eine Chance.
Ein dreimonatiges Pilotprojekt, bei dem es um Videoproduktion ging, öffnete mir die Türen in eine Berufswelt, in der ich heute zu Hause bin.
Ich beschloss die Uni nebenbei fertig zu machen. Das war der Plan. Er scheiterte. Nein eigentlich darf man das so gar nicht bezeichnen. Denn er scheiterte nicht, ich verwarf ihn schlichtweg. Ich entschied mich eine andere Richtung einzuschlagen, die ich bis heute nicht bereut habe.
Seit dieser Zeit gibt es in meinem Leben nur noch ganz kurzfristige Pläne. Vielmehr gibt es Ziele und ich kann sagen, dass die Wege zu meinen Zielen sich immer wieder ändern können. Denn es sind meine Ziele. Ich entscheide wann es an der Zeit ist Dinge zu ändern und gesellschaftliche Konventionen sind mir dabei egal.
Denn heute weiß ich, dass es nicht wichtig ist Pläne zu haben.
Viele Menschen lieben Pläne und es geht ihnen gut damit nach diesen zu leben. Aber an die richtet sich dieser Text nicht. Dieser Text ist für all die Menschen, die nicht wissen, wohin sie ihr Leben verschlagen wird. Euch möchte ich sagen: es ist ok manchmal nicht zu wissen was man möchte. Nicht zu wissen, wer man sein möchte. Das findet man eher heraus, wenn man sich nicht an den Konventionen und Vorgaben anderer orientiert.
Stellt viel öfter die Gesellschaft und das was sie euch mitgeben will in Frage. Fragt euch was IHR wollt. Fragt es euch rational und emotional.
Aktuell lebe ich in einer kleinen Wohnung in Düsseldorf und arbeite als Selbstständige. Ich weiß nicht was in einem Jahr sein wird, oder in einem halben Jahr. Für mich ist das Leben zu einem Abenteuer geworden, bei dem ich mich den vielen Herausforderungen stellen und flexibel bleiben möchte und das mir so viel mehr bietet, als das Leben, das ich vor vielen Jahren mal mit ein paar Erwachsenen zu planen begonnen hatte.
Keine Pläne zu haben bedeutet nicht „lost“ zu sein. Für mich bedeutet es, dem Leben offen gegenüber treten und die Möglichkeit zu haben, viele Entscheidungen auch kurzfristig treffen zu können.
Ich liebe es, nicht zu wissen was morgen ist. Das macht das Heute noch viel spannender.
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Kathrin (Dienstag, 25 Juni 2019 08:21)
Interessant zu sehen, dass man ein gescheitertes Ziel als Erfolg vorgeben kann. Im Internet kann man wirklich alles verkaufen.
Admin (Dienstag, 25 Juni 2019 11:11)
Liebe Kathrin,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Erst mal können ja nicht die Ziele scheitern, sondern der Plan. Darum geht's ja in meinem Artikel. Und ich spreche nicht vom Scheitern, sondern sage "verwerfen". (Ganz wichtig!)
Ich sage nicht, dass das ein Erfolg ist, sondern, dass es vollkommen ok ist wenn man seinen Plan nicht auf Biegen und Brechen durchzieht, wenn man nicht dahinter steht.
Erfolg definiert übrigens jeder für sich selbst, nicht eine Uni, die Familie, der Arbeitgeber oder die Gesellschaft im Allgemeinen.
Ganz liebe Grüße
Yvi